#11 Rückblick: Italien für Anfängerinnen

Wow. Nun ist es tatsächlich vollbracht! Die ersten 777 km liegen hinter uns und wir haben damit einmal Italien von Nord (Bologna) nach Süd (Bari) durchquert. Die meiste Zeit ging es mit wunderschönem Meerblick an der Küste entlang. Deshalb folgt hier nun unser erster ausführlicher Reisebericht, während wir das Land gerade verlassen. Wir werden in dem kommenden Jahr hoffentlich spätestens nach jedem durchquerten Land (ca. einmal im Monat) einen weiteren detailreichen Bericht von unserer Reise posten. Also los geht’s mit Teil 1 – Italien für Anfängerinnen.

Wo geht’s lang?

Wir sind am 2.2.2022 bei strahlendem Sonnenschein in Bologna gestartet. Motiviert ging es aus der Stadt raus, doch Anke bemerkte verschreckt, dass sie schon nach einer halben Stunde Rückenschmerzen bekam. Ein Blick auf ihren Tacho zeigte (oh Graus!), dass wir uns mit nur circa 8 km/h vorwärts bewegten. 😱

„Da haben wir wohl das Gewicht unseres Gepäcks völlig falsch eingeschätzt“, dachte sie frustriert. Nach zwei Stunden Fahrt lagen, laut ihrem Fahrradcomputer, gerade mal 12 km hinter uns. Darum zu Bitten, noch langsamer zu fahren, keine Option. Der Frust auf Ankes Seite entsprechend groß.😡 Bis schließlich ein Blick auf Danas Tacho verriet, dass Ankes Mini-Computer auf Meilen geeicht war, wir also sehr viel schneller und weiter vorankamen als sie glaubte … puh was für eine Erleichterung. 😯

Hier ein kleiner Einblick in unseren ersten Tag auf dem Rad. Das komplette Video aus Italien folgt noch.

Alles in Allem war die Tour bisher eher flach, da wir schlicht an der Küste nach Süden radelten. Das Meer zu unserer Linken fuhren wir häufig über gut ausgebaute Strandpromenaden, die (da wir völlig abseits der Saison unterwegs sind) schön leer daherkamen. Rechts von uns präsentierten sich – solange wir durch den  Norden fuhren – meist leere Ferienanlagen. Im Sommer tobt hier sicher internationales Leben, aber zur Zeit ist gähnende Leere. Restaurants, Spielplätze, Hotels – alles geschlossen. Nur ganz vereinzelt war mal ein Café geöffnet. Alles ist auf all-inclusive schicki-micki Tourismus eingestellt, aber nicht im Februar. Gut, dass wir außerhalb der Saison unterwegs sind.

Mit steigender Kilometer-Zahl wurde der Übergang von Nord- nach Süditalien für uns recht deutlich. Statt schicker Hotel- und Appartementanlagen – samt Strandpromenaden – schlängelten wir uns auf einer dicht befahrene Straße durch weites flaches Land, gesäumt von Bergbau und einfacher Landwirtschaft. Als wir die erste aufgestylte Frau an einer Schnellstraße stehen sahen, haben wir uns beide noch gewundert, wie sie da eigentlich hingekommen ist und was sie dort wohl macht … Schnell mussten wir erkennen, dass in regelmäßigen Abständen Frauen die vorbeirasenden Truckerfahrer antanzten. Nicht sehr erquickend.

Hunde die bellen, beißen nicht

Außerdem kam im Süden auf den Landstraßen eine neue Challenge für uns hinzu: jagdfreudige Hunde! Laut kläffend verfolgten sie uns mitunter einige Minuten. Mal weil sie ihre Schafherde verteidigen mussten, mal weil wir an ihrem Grundstück vorbeifuhren. Meist waren es große Hütehunde, die zwar mit ihrem dichten cremefarbenen Fell sehr flauschig und wuschelig aussahen, aber doch beeindruckende Zähne zeigten. Wir haben bis jetzt noch nicht die beste Strategie herausgefunden, aber hey: Try and Error bringt uns sicher noch die ein oder andere Erkenntnis. Sollten wir langsam fahren und uns unterhalten oder doch lieber selbstbewusst „Stop!“ schreien? Mal sehen, was am besten hilft … 

Aber es gibt auch lustige Momente mit den aufgeregten Hunden. So ist Dana fast vor Lachen vom Fahrrad gefallen, als ein kleiner Terrier vor lauter Aufregung uns laut bellend zu verfolgen, den Laternenpfahl übersahen und mit voller Wucht seitlich dagegenknallte. Der völlig verdatterte Hundeblick – für Dana einfach unvergesslich. 1 zu 0 für uns. 😅🚴🏼‍♀️🚵

Mülltrennung am Straßenrand

Am Straßenrand wurde derweil der herumliegende Müll stetig mehr, je südlicher wir kamen. Große Mengen an Flaschen, Reifen, Mülltüten oder sogar Toilettenschüsseln und Kühlschränken, die in der Gegend rumlagen, wurde immer häufiger. Kaum ein Landstrich ohne Müllberge neben der Straße. Doch wir blieben tapfer. Unsere Mülltüten vom Mittagessen radelten wir liebevoll kilometerweit bis zum nächsten Mülleimer. Schön blöd, aber wir können einfach nicht anders, auch wenn die Versuchung groß ist.

Gleichzeitig überrascht uns der Süden Italiens mit freundlichen kleinen Städtchen, älterer Architektur und pittoresken kleinen Gässchen. Landschaftlich tauchten immer mehr Kakteen und Palmen auf. Nach den ersten 300 km haben wir tatsächlich den ersten in Blüten stehenden Baum gesehen. 🌸🌳🌸 Der Frühling ist nicht mehr weit!

Besonders begeistert sind wir von den italienischen Rennradfahrer:innen. Die gab es täglich zahlreich und immer grüßen, winken oder feuern sie uns an. „Bravo“, „Ciao“, „Buongiourno“ schallt es immer wieder begeistert über die Straße, während sie an uns vorbeidüsen. Einmal gab es sogar Applaus von einer Passantin. Das freut natürlich unsere Radlerinnen-Herzen.

Und noch ein Punkt überrascht: Der Verkehr ist erstaunlich nett zu uns. Die Autos überholen mit viel Abstand. Meist hupen sie kurz (ohne jegliche Agression oder Penetranz), um uns schlicht mitzuteilen „Achtung ich überhole“ und manchmal auch nur, um uns anzufeuern und zu grüßen. Naja, überhaupt wird in Italien nun Mal gern gehupt. Die Straßenregel hier ist ganz einfach: Bist du schüchtern, wirst du von den Autos ignoriert und kommst kaum über die Straße. Schiebst du dich stattdessen selbstbewusst über die Straße, wird immer selbstverständlich gehalten und freundlich genickt.

Gesundheit und andere Wehwehchen

Pro Tag haben wir uns auf 50 bis 70 km eingegrooved. Unsere Körper teilen uns doch Recht deutlich mit, dass sie die plötzliche Umstellung auf Dauerbelastung nicht so richtig schätzen. Ob Knie, Rücken, Wade oder Schultern, irgendwas beschwert sich immer. 60 kg Gepäck (pro Person!) sind doch gewaltig.

Ankes Versuch, die permanenten Schmerzen mit Tabletten zu bekämpfen, führten zu einer spontanen Nesselsucht. 😨 Also haben wir angefangen, morgens und Abends ein ausgedehntes Yoga-Dehn- und Fitness-Programm einzubauen. So können wir immerhin, während wir teilweise leidend radeln, von unseren definierten Muskeln träumen, die wir dann hoffentlich demnächst präsentieren können. 😜

Zelt oder Hotel – Das ist hier die Frage 

Als wir im Januar Berlin mit unseren neuen dicken Schlafsäcken verlassen haben, waren wir noch enthusiastisch, diese bald mit unserem schicken Zelt auszuprobieren. Das erste Hindernis jedoch, waren die geschlossen Campingplätze. Das weitaus größere blieben zudem die Temperaturen. Während wir tagsüber meist strahlenden Sonnenschein hatten, sanken die Temperatur sobald die Sonne unterging rapide ab. Die Möglichkeit ab 17:30 Uhr bibbernd wildcampend im Zelt zu hocken, fernab einer warmen Dusche, haben wir also ganz schnell von unserer To-do-Liste gestrichen. So wild sind wir dann doch nicht.

Es blieben also B&Bs, Hostels und günstige Hotels. Bis auf ein B&B, das uns mit benutzten Kondomen am Boden, einer haariger Dusche und dem verstopften Klo sehr verschreckt hat, waren alle Unterkünfte schön (bis kitschig) und vor allem sehr gemütlich.

Einmal hatten wir das Glück, bei jemanden von Warmshowers zu pennen. (Das ist im Grunde wie Couchsourfing nur für Fahrradfans – man hat also gleich Anknüpfungspunkte.) Bei Simona hatten wir, statt einer Couch und einer warmen Dusche, gleich das ganze Gartenhäuschen (inkl. eigener kleiner Küche) für uns. Obendrauf gab’s sogar frische Eier von den draußen rumgackernden Hühner. 🐔🥚🐔

Für die Pausentage durfte es dann auch Mal ein abgelegener Ponyhof sein, damit Dana begeistert Tiere streicheln konnte und Anke freudig „mit vielen Grüßen vom Ponyhof“ unter ihre digitalen Nachrichten setzen konnte. 

Trotz der kalten Nächte (4 bis 6 Grad) schien anfangs tagsüber, doch meistens die Sonne, so dass wir tatsächlich unsere Sonnencreme rausholen mussten. Nun gut, nur für’s Gesicht, der Rest des Körpers blieb noch dick eingepummelt, aber immerhin. Doch kaum kamen wir in Süditalien an, wurden wir von den ersten Regentagen überrascht. 

Auch wenn es nun meist bewölkt war, blieb es immer noch warm genug, dass wir unsere Pausen in die Länge zogen und einfach die herrlich grüne Landschaft genossen.

Dolce Vita müssen wir noch lernen

Natürlich war uns als wir losfuhren bewusst, dass wir uns essenstechnisch auf andere Bräuche einstellen müssen. Ja alte Gewohnheiten werden auf einer Weltreise sicher durchbrochen. Dennoch haben wir uns beim italienischen Frühstück nicht ganz so Zen gezeigt, wie wir es gerne wollten. Ein Kaffee und ein süßer Keks, eventuell noch ein schneeweißer labriger Toast mit Scheiblettenkäse, befand sich anfangs noch weit außerhalb unserer Komfortzone. Aber da wir uns bestimmt irgendwann nach solch einem Frühstücksbuffet sehnen werden, arbeiteten wir selbstverständlich kontinuierlich an uns. Wir sind ja erst am Anfang unserer Reise. Und siehe da, nach zwei Wochen Italien fanden wir Milchkaffee und süße Teilchen eigentlich einen sehr schicken Start in den Tag. Wir werden das italienische Gebäck definitiv vermissen.

Eins unserer Lieblingsobjekte auf unserer Packliste ist übrigens unser multifule Kocher geworden. Er läuft quasi ständig, auch gerne auf Hotelbalkonen. Dabei sind wir noch sehr am austarieren, was wir wann und wie am geschicktesten Essen. Wir haben mit ausgeklügelten Mehrkomponentenmahlzeiten (auf dem Gaskocher!) begonnen und sind dann schnell bei Instant-Nudeln mit einer Dose Gemüse angekommen. Ein kleines kulinarisches Highlight bisher: Wir haben einen Blumenkohl stibitzt, nachdem wir kilometerlang an Blumenkohlfeldern entlang radelten. 

Bei allen Komfort, den die Unterkünfte bieten, vermissen wir immer schmerzlich einen Wasserkocher auf unseren Zimmern. Denn Mal schnell Tee im Warmen kochen, wäre einfach wunderbar und die Instant-Nudeln wären auch sehr viel unkomplizierter zubereitet. 

Zum Frühstück gibt’s ansonsten, wenn im Hostel oder B&B (ja ein Bed and Breakfast muss nicht dringend Frühstück anbieten) nicht inklusive, Haferflocken und an dieser Stelle senden wir ein großes Danke an unser gesponsortes Martins Müsli, das wir immer begeistert mit den Haferflocken essen. Und was wir nur wärmstens aus voller Überzeugung empfehlen können!

Pausen gönnen wir uns meist zwei etwas längere während der Tour. Eine Mittagspause in der wir uns einen frischen Salat schnippeln und Brot mit Käse verdrücken. In der zweiten wird der Kocher angeschmissen und Tee serviert – hier schätzen wir mittlerweile die süßen Frühstücksteilchen besonders. Und ein Highlight waren natürlich unsere tollen Helinoxstühle. So lässt sich besonders schön in die Sonne blinzeln und einfach entspannen.

Zudem boten die italienischen Cafés eine tolle Auswahl an bunten Keksen und kleinen Törtchen. Anke, die ja gern trockene Süßigkeiten verdrückt, war ganz begeistert und für Dana gab es auch immer etwas mit Creme oder Schoki. 

Und wie es sich für eine Reise durch Italien gehört, haben wir uns natürlich auch frische Pizza, saftigen Mozerella und reichhaltigen Aperitivo gegönnt. Alles sehr lecker.

Und sonst so? 

Abends kamen wir meist sehr erschöpft in der Unterkunft an. Nach einer heißen Dusche und dem selbstverordneten Fitnessprogramm, wurde oft schnell der Kocher angeworfen. Und dann gab es eigentlich immer irgendwas zu organisieren – die Route, die nächste Unterkunft, der Hof in Griechenland …

Und auf dem Ponyhof haben wir die Gelegenheit genutzt, unsere Fahrräder Mal wieder zu putzen. In Bari haben wir uns in unseren letzten italienischen Pausentagen ins samstägliche Getümmel der Innenstadt geworfen. Auweia! Was für ein bizarres Erlebnis. Das Durchschnittsalter lag eher bei maximal 18. Viele Gruppen mit 13 und 14-Jährigen gut gestylten Hormonbomben zogen freudig durch die kleinen Gassen der Altstadt. Wir kamen uns ganz schön alt vor … und irgendwie abgewrackt. Alle waren schick, trumpften mit perfekten Frisuren, cooler Kleidung … etwas Schmuck hier, ein aufgeregtes Kichern da… Wir stachen mit unserer total praktischen Mischung aus Funktionsjacke und Hippihose, plus langsam fälligen Friseurbesuch, deutlich hervor.

Tutto bene oder sprechen Sie auch Englisch?

So richtig weit kamen wir mit Englisch in Italiens Norden leider nicht. Eigentlich haben wir eher mit Händen und Füßen kommuniziert, als wirklich tiefe Gespräche zu führen. Dennoch kam Anke mit einer kruden Mischung aus Restaurant-Italienisch und Portugiesisch manchmal erstaunlich weit, aber wir vermissten es doch, einfach mal entspannt zu plaudern und sich ein bisschen mit anderen auszutauschen. Auch wenn manchmal so schöne Missverständnisse rauskommen, dass wir statt nem halben Liter Wein gleich eine ganze Flasche serviert bekommen oder Dana statt der bestellten Monster-Bouble-Waffel einen großen Eisbecher mit Karamellsoße essen muss. Da muss man dann wohl durch. 😜

Im Süden hatten wir allerdings das Gefühl, dass es etwas besser wurde und so gab es im Hostel von Bari durchaus die ein oder andere nette Begegnung.

Was von Bella Italia bleibt

Nun sind also die ersten drei Wochen radeln rum. Die Zeit verging wahnsinnig schnell und relativ problemlos. Letztlich merken wir noch immer, dass wir uns in unserem neuen Alltag zurechtruckeln müssen. Was wollen wir essen? Wie oft gehen wir einkaufen? Wie oft lohnt der Gang zum Waschsalon? … Alles keine großen Fragen, dennoch ist all das für uns wichtig herauszufinden, denn das wird unser Leben für das ganze nächste Jahr. Die Umstellung auf das Nomadinnen-Dasein fordert noch etwas Geduld und Anpassungswillen. Jetzt freuen wir uns schon sehr, wenn es endlich noch ein bisschen wärmer wird und ein wenig länger hell bleibt. Dann werden wir auch ganz bestimmt begeistert zelten. 🏕️🔥🍲

Im Moment sitzen wir auf der Fähre nach Griechenland (über 16 Stunden Fahrt) und können es noch gar nicht so recht fassen, dass tatsächlich das erste durchradelte Land, der erste Monat, von unserer so lange geplanten Weltreise hinter uns liegen. Wir haben so viele neue Eindrücke gesammelt, Italien von einer anderen Seite kennengelernt und alte Gewohnheiten durchbrochen. Was bleibt ist ein buntes Sammelsurium aus Bildern und die Erinnerung an jede Menge leckerer Kekse. 🍪🤤

Als nächstes Abenteuer wartet jetzt Griechenland auf uns. Zuerst werden wir drei Wochen auf Kefalonia wwoofen und damit auf einer kleinen Farm mit Olivenhain arbeiten. Aber das ist eine andere Geschichte…

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Veröffentlicht von Fabulous Female Cyclists

Ich war gerade 16 Monate mit dem Fahrrad unterwegs. Berlin-Sydney

9 Kommentare zu „#11 Rückblick: Italien für Anfängerinnen

  1. Herzlichen Glückwunsch! Im Februar auf dem Fahrrad und dann durch ganz Italien, das ist schon was. Ich hoffe, jetzt geht es bald leichter voran. Drück euch jedenfalls alle vorhandenen Daumen!
    PS. danke für die wunderbaren Bilder!

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    1. Hach schön, dass du uns so aufmerksam liest. Wir hoffen grad noch, dass es in Griechenland langsam wärmer wird. LG

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