# 85 Rückblick: Leben und Reisen in Tasmanien

Das ist nun also unser Sabbatical Teil 2. Der Plan: 4 Monate Australien und Neuseeland. Warum? Wir wollen noch etwas unser Englisch aufpeppen. Damit das gelingt, leben und wwoofen wir diesmal möglichst viel auf Familienfarmen und konsumieren englische  Bücher, Hörspiele, Podcasts sowie Filme. Los ging’s Mitte Oktober. 

Wie bei unserer langen Weltreise mit dem Fahrrad blicken wir nach jedem Reiseabschnitt ausführlich zurück. Nun haben wir bereits vier Wochen auf Tasmanien verbracht und sind gerade nach Neuseeland geflogen. Es ist also an der Zeit für die erste umfassende Retroperspektive:

Nicht schlecht. Diesmal flogen wir relativ entspannt los. Der Trick? Im Gegensatz zum letzten Mal, hatten wir uns kurz vor der Abreise nicht mit ganz so vielen Terminen vollgepackt, wie vor unserer großen Radreise. Und so standen wir zwar müde, aber guter Dinge pünktlich um 7:30 Uhr am BER – 2 Stunden vor Abflug.

Für den insgesamt 28-stündigen Flug hatten wir uns für Scoot entschieden – eine Billigairline aus Singapur. Preislich unschlagbar. Aber, tja… alles andere als komfortabel. Da Plätze reservieren extra gekostet hätte, saßen wir nicht zusammen und recht schnell mussten wir feststellen, dass wirklich gar kein Essen inklusive war, nicht einmal ein klitzekleiner Snack oder ein Glas Wasser und das bei 12 Stunden Nonstop von Berlin nach Singapur! Sprich, das Geld, das wir beim Buchen gespart hatten, mussten wir sehr schnell wieder für Essen und Trinken ausgegeben. Und Achtung! Offiziell durfte kein eigenes Essen mitgebracht werden. Ist das überhaupt legal? Natürlich waren wir die einzigen Dummen, die sich brav an die Regeln gehalten hatten. Anke war kurz davor, die beiden Jungs neben ihr K.O. zu schlagen, um sie von ihren prallgefüllten Vorratstüten zu befreien, aus denen die beiden fröhlich den ganzen Flug vor sich hinmümmelten.

Nach dieser ersten Anstrengung folgte ein 7-stündiger Aufenthalt in Singapur, den wir ausgehungert wie wir waren, nutzten weiter wild Essen zu kaufen und uns anschließend auf dem Boden zusammen kauerten, um nochmal 2 Stunden Schlaf zu bekommen. Nach über einem Tag reines Reisen kamen wir völlig erschöpft in Melbourne an, wo wir eine Nacht in der Nähe des Flughafens in einem Bed & Breakfast übernachteten, um am nächsten Tag gleich weiter nach Tasmanien zu fliegen. Was für eine anstrengende und lange Anreise. Nie wieder Billig-Airline auf einem Langstreckenflug! 

Und was sollen wir berichten? Wir hatten tatsächlich den schlimmsten Jetlag unseres Lebens. Beide wachten wir mehrere Nächte regelmäßig auf, um gegen 3 Uhr nachts putzmunter in unseren Betten zu liegen. Dazu kam, dass Anke mit völlig verkrampften Oberschenkeln vom Flug zu kämpfen hatte (die Sitze waren einfach zu winzig und hart), während Dana durch einen Bärenhunger aus ihren Träumen gerissen wurde, weil ihr Magen nun eigentlich dringend Mittag wollte. 11 Stunden Zeitverschiebung sind ein ganz schöner Brocken.

1 Monat Tasmanien – Ein Einblick.

Ankommen in Tasmanien  – Schockierende Geschichte

Teil 1 unseres Trips ist also Tasmanien. Aber wie ist es nun in  Australiens bevölkerungsärmsten Bundesstaat? Bis Ende 1855 nannten die europäischen Siedler die Insel Van-Diemen’s-Land. Anthony van Diemen war ein niederländischer Kolonialgouverneur, dessen Seefahrer Abel Tasman, weil er die Südküste Australiens verfehlte, 1642 in Tasmanien landete. 

Schockierend für uns: Die barbarische Kolonialgeschichte. 1803 errichteten die Briten die erste dauerhafte Siedlung und bereits rund 40 Jahre später waren die ursprünglichen 5.000 Aboriginal – die Palawan – quasi vollständig ausgelöscht. 

Ein weiteres dunkles Kapitel der Tasmanischen Geschichte: Zwischen 1804 und 1853 kamen rund 76.000 Strafgefangene nach Tasmanien, darunter viele Frauen und Kinder. Sie wurden zur Arbeit im Bau und Bergbau sowie auf Farmen und privaten Grundbesitz gezwungen. 

Von der düsteren Kolonialgeschichte ist bis heute kaum eine Aufarbeitung zu sehen. Während in Sydney oder Melbourne die Diskussion um Sichtbarkeit und Anerkennung der Geschichte und Kultur auch für unbedarfte Touris kaum zu umgehen ist, laden in Tasmanien einzig die diversen Gefängnisse mit Führungen und Gruseltouren ein. 

Wir verbrachten anfangs nur zwei Tage in Tassies Hauptstadt Hobart und buchten sogleich eine Walbeobachtungstour. Und wie wir schon berichteten – hat es sich tatsächlich gelohnt. Was für Klippen! Und natürlich Wahnsinn, wir haben Buckelwale gesehen… auch wenn wir dabei noch ganz schön vom Jetlag geplagt waren.

Farmarbeit im Paradise?

Ganze drei Wochen wwooften wir im Anschluss auf einer Farm im Norden von Tasmanien. Die Arbeit umfasste alles, was auf einer Farm so anfällt: Holz hacken, das Grundstück von Ästen und Gebüsch befreien, Rasen mähen, Unkraut zupfen, Hecken beschneiden … 

Gilles – unser Wwoof-Host – kam vor ca. 50 Jahren in Australien an. Als waschechter Franzose hört man noch immer sehr deutlich seinen Akzent. Seine Farm liegt idyllisch unweit der bekannten Cradle Mountains im Örtchen Paradise. Neben einer Kuhweide, einer Blackwoodplantage und Platz für Hühner, hat er auch noch einen feinen Gemüsegarten im Programm. Alles was so eine kleine Hobbyfarm in Australien halt braucht.

Und wir hatten ein kleines Highlight: Eines Morgens fanden wir statt drei Kühen vier auf der Weide vor, denn in der regnerischen Nacht ward ein kleines Kalb geboren. Wir waren natürlich ganz angetan von so viel frischgeborener Niedlichkeit. Doch Gilles – ganz Farmer – holte irgendwelche Zangen aus dem Schuppen, um dem kleinen Bullen, die kleinen Bällchen sofort abzuklemmen (zum Glück ohne Geschneide und Blut) und einen Marker im Ohr zu verpassen. Etwas beklemmt folgten wir unserem Host, der sich ein Bein des Kleinen schnappte und als es wild zappelte, bat uns das Baby festzuhalten, damit er die „Testikals“ erfühlen kann. Dana war mit ihrer Aufgabe gar nicht glücklich und flüßtere heimlich dem Kleinen Gesellen ein paar beruhigen Worte ins Ohr. So manche Aufgaben sind dann doch nichts für uns. 

Als gelernter Zimmermann hat Gilles sein Haus einst nach südfranzösischem Vorbild selbst gebaut. Das sieht von außen wunderschön pittoresk aus, aber ist im doch eher kühlen Klima Tasmaniens gar nicht so praktisch. Innen blieb es, trotz sich anbahnenden Frühlings, ganz schön finster und kühl. Heizung? Fehlanzeige. Leider gab es nur „romantische“ Öfen im Erdgeschoss. Auch zum Kochen schwörte der Hausherr auf einen alten Küchenofen mit Holz. Das klingt zwar irgendwie gemütlich, ist aber bei der Essenszubereitung oft schwierig, da man zuerst eine Stunde vorheizen musste, um anschließend mit sehr viel Geduld etwas zu braten oder langsam, langsam zu köcheln. Mikrowelle? Spülmaschine? Nope. Welcome to rural life. 

Dafür wurden uns hochmoderne Klobrillen geboten. Denn seine neue Frau ist Japanerin und hat scheinbar auf ihre Modelle bestanden. So hatten die Brillen viele überraschende Features: Wasserpritzen und Föhnen, aber auch stets mollig warm geheizte Sitzflächen. Anke fand das im kalten Haus gar nicht so schlecht. Vor allem waren die Bäder damit wärmer als die restlichen Räume – geheizt von der Klobrille. Nun gut …

Unser Plan, unser Englisch aufzubessern, ist bisher leider noch nicht so aufgegangen wie erhofft. Unser französischer Farmer war allein auf der Farm, weil seine Frau gerade in Frankreich wwoofte, so dass wir ganz auf ihn angewiesen waren. Leider hörte er mit seinen 72 Jahren nicht mehr so gut, das machte die Kommunikation teilweise etwas schwierig. 

Dennoch lernen wir fleißig Aussi-Slang. Die Australer:innen lieben putzige Abkürzungen. So ist ein Zimmermann ein Chippy (von Wood-Chip – Sägespäne) und ein Elektriker ein Sparky (von den sprühenden Funken). Ein Keks ist ein Bikky, ein  Laptop heißt Lappy und die nächstgelegene Stadt Launceston wird liebevoll  Launy genannt. Morgens aßen wir brekky (Frühstück – nicht das Katzenfutter!) und nachmittags machten wir eine Smoko (Kaffeepause). Ansonsten schallt einem überall das freundliche “G’day!” entgegen. Süß die Aussies!

Die Nachbarn: Wandern in den Cradle Mountains

Um letztlich doch noch etwas von der Gegend zu sehen und mehr Englisch zu sprechen, zogen wir spontan zu den Nachbarn weiter. Was für ein wahnsinniges Glück! Das nebenan lebende Pärchen bot uns an, mit uns einen Ausflug zu den beeindruckenden Craddle Mountains zu machen. Und nicht nur das, wir verbrachten gleich drei fantastische Tage mit ihnen. 

Die Cradle Mountains sind eines der Highlights auf Tasmanien und befinden sich in einem Nationalpark mit diversen Wanderrouten. Von 20 Minuten bis hin zu 6 Tages Wanderungen ist alles dabei. Wir stapften bei schönstem Sonnenschein 6 Stunden herum. Es war ein wunderschöner Tag mit toller Begleitung und abends fielen wir alle glücklich, aber erschöpft ins Bett. 

Die Tage mit Caroline und Andrew vergingen wie im Flug. Im gemütlichen Haus lasen wir und tranken lecker Tee. Caroline ist in Berlin–Charlottenburg geboren, während Andrew Künstler durch und durch ist. Wir hatten also jede Menge Gesprächsthemen. Um uns wenigstens ein wenig zu revanchieren, haben wir uns auch hier nochmal beim Holzschleppen und -hacken ausgetobt …

Eine neue Identität: Wir sind jetzt Backpacker!

Als Radreisende hatten wir uns sehr schnell wohlgefühlt. Vor allem Anke schaute immer sehr mitleidig die armen, armen Backpacker an, die vollgepackt mit mehreren Rucksäcken schwitzend zu einer entlegenen Bushaltestelle watschelten in der Hoffnung, dass eventuell ein Bus vorbeikommen möge und sie an ihr Ziel bringe. Wie viel schöner war es doch, sein eigenes Transportmittel dabei zu haben und unabhängig an jeden Ort der Welt zu radeln. 

Und nun sind wir selbst genau diese armen Backpacker. Wir sind noch dabei, uns in unsere neue Rolle einzugewöhnen. Wir  fühlen uns etwas unflexibel, aber klar ist das auch eine bisschen verklärte Sicht. Denn in Australien radelt man ja mal nicht eben eine kurze Strecke, um zum nächsten Sightseeing-Punkt zu gelangen. Die Lösung vermuten wir jetzt im Trampen. 

Weiter geht’s – Abflug nach Neuseeland

Zum Abschluss unseres Tasmanien-Abenteuers verbrachten wir noch einmal ein paar Tage in Hobart und wagten uns trotz des etwas unsteten Wetters für zwei Nächte auf einen Campingplatz. Unsere kleinen Sommerschlafsäcke schützten uns glücklicherweise auch bei 8°C Nachttemperatur. Denn wir haben diesmal unsere ultra komfortablen und warmen Langzeitreiseschlafsäcke – wegen des Rucksacks – in kleinere, leichtere Modelle getauscht. Doch puh, Test bestanden.

Diesmal machten wir in der gemütlichen Stadt das MONA (Museum of Old and New Art) unsicher. Ein privates Museum für moderne Kunst. David Walsh, gewann einst viel Geld beim Zocken im Casino und ist als erfolgreicher Geschäftsmann und Kunstsammler zurück in seine Heimatstadt gekehrt. Mit seinem Vermögen wurde er zum Museumsdirektor und eröffnete 2011 das MONA. Wir verbrachten viele Stunden in dem großen unkonventionellen, verschachtelten Gebäude mit allerlei Installationen, Gemälden, Werken und Mitmachkunst. Hier wohnte ein Harfenspielerin als Live-Performance, da blinkten ein paar Monitore hektisch und dort genossen wir im Dunkeln zarte klassische Klänge mit rauchigen Duftreizen. 

Das war nun unser erster Teil. Was bleibt also? Wieder einmal haben wir festgestellt: Die körperliche Arbeit im Freien liegt uns. Es ist einfach schön abends erschöpft von der frischen Luft und der Anstrengung einzuschlafen. Gleichzeitig merken wir, dass sich in neuen Haushalten einzugewöhnen und immer wieder Dinge für die Reise zu organisieren, doch ganz schön anstrengend ist. Und wir vermissen unsere Räder!

Erschöpft und ein wenig aufgeregt sind wir nun in Neuseeland angekommen.

Veröffentlicht von Fabulous Female Cyclists

Ich war gerade 16 Monate mit dem Fahrrad unterwegs. Berlin-Sydney

5 Kommentare zu „# 85 Rückblick: Leben und Reisen in Tasmanien

  1. Liebe Anke, liebe Dana,
    sagenhaft und einfach großartig euren Bericht zu lesen und dazu die Fotos anschauen zu können!
    Ihr seid einfach Spitze!!
    Weiterhin euch eine tolle, interessante und weiterhin sichere Reise mit vielen neuen erfreulichen Eindrücken!
    Fühlt euch herzlich gedrückt von mir
    Helga

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    1. Vielen Dank liebe Helga! Wir freuen uns immer über Feedback. Dir eine schöne Weihnachtszeit, die steht ja auch bald an. Liebe Grüße aus Neuseeland.

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  2. Wahnsinn, wie die Zeit vergeht!!! Eure Neuseeland-Berichte werde ich jetzt mit NOCH mehr Interesse lesen, da ich 2025/26 im Rahmen meines Sabbatjahres da auch hin will! 😎 Ich bin also doppelt gespannt! ☺️

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  3. Oh wahnsinn! Du machst auch ein Sabbatical? Welche Länder stehen denn noch auf der Liste. Wir waren ja auch ganz angetan von der Türkei, Griechenland, Malaysia und nicht zu vergessen MONTENEGRO (klein aber echt oho!).

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